Wenn es um die Interpretation oder Analytik der Kunst geht, kommt mir oft der großartige französischen Künstler Pierre Soulages in den Sinn, der schätzt das intuitive Moment und meint, dass das Denken nach dem Malen passiert. Sinngemäß ist dies auch eine Warnung, sein eigenes Werk nicht "totzudenken". Ich denke, dass die Malerei selbst, der Prozess, ein bestimmendes Thema meiner Arbeit ist. Ich arbeite zwar vorrangig figürlich, unternehme jedoch ab und zu Expeditionen in die Abstraktion – z.B. hatte ich mich längere Zeit mit arabesken Ornamenten und ihrer malerischen Neuinterpretation befasst. Zudem arbeite ich gerade simultan an großformatigen Fahnen-Kompositionen. Malerei ist für mich sicher auch so etwas wie ein Ego-Trip und ein durchgängiges Motiv bei diesen Erkundungsgängen könnte die Vorstellung sein, das sich der eigene künstlerische Horizont am Widerstand eines Themas immer wieder aufs neue ergründen lässt. Neben der Leidenschaft für das Material, die Techniken ist da eine Art Ruhelosigkeit, eine Neugierde auf das, was auf der Leinwand passiert, auf diese Interaktion der eingesetzten Mittel. Sujets? Im Wesentlichen interessieren mich ja die ganz einfachen Dinge, wie Strukturen, Rhythmen, Haut … es muss sich also niemand wundern, wenn ich irgendwann nur noch Akte male.
Konkret geht es derzeit um Menschen und wenn der Fokus so direkt auf der Figur liegt, stellen sich eine Menge Fragen. Z.B. liegt der Vergleich mit der Ikone nahe, mit der bildnerischen Überhöhung des Einfachen. Welchen Stellenwert trägt also der Pathos? Und wie hält man es mit der Ironie? Der Idealisierung und dem Eros? Darauf gibt es keine einfachen, keine direkten Antworten – vielmehr ergibt sich im Entstehungsprozess ein Dialog mit dem Bild und seiner speziellen Wirklichkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob die Statisten dem Betrachter eine Botschaft überbringen wollen oder sich damit begnügen, eine schillernde "Pop- Oberfläche zu sein – in erster Linie sind sie Teil einer Inszenierung. Der Bildraum, das ist so eine Art Energiefeld und ich denke meine Fixierung auf die bildbeherrschende Figur hängt mit einer Obsession für das Plakative zusammen. Dabei geht es mir natürlich nicht um individuelle Portraits - das Figurative ist vielmehr eine Konstruktion, maximal eine Typisierung – darin verbaut finden sich Versatzstücke aus der Erinnerung, Szenen, Posen, Zitate aus dem visuellen Kollektivgedächtnis.
Am Beginn meiner Arbeit steht meist eine schnelle Skizze – kein Plan, eher eine Art offen gehaltener Grundtakt - von hier aus beginnt das Ringen mit dem Farbmaterial, Improvisation und Vertiefung, der Aufbau von Gegenpositionen. Der Entstehungsprozess ist so gesehen nicht die Realisierung des vorgedachten Konzeptes, sondern ein spannender Dialog mit ungewissem Ausgang, ein Versuch den Pigmenten einen ganz speziellen Ausdruck zu entreissen. Vielleicht muss man besonders stur sein, um in dieser Zeit der schnellen Pixelbilder noch Leinwände zu bearbeiten ... Öl, Acryl, Kohle, Pigmente – das sind vitale Stoffe, erzählerische Elemente – die fliessen, sich aufwerfen, lasieren, durch Kratzer und Schlieren hindurch scheinen. So gesehen verstehe ich die Haptik und Materialität der Farbe -überhaupt das Unikat-ein Stück weit als Gegenthese zu der Virtualisierung unserer Gegenwart. Ich denke, es ist wichtig, sich desöfteren von sich selbst zu distanzieren – da stellt man dann die eigene Schwankungsbreite fest. Vor einigen Jahren hatte ich eine Phase in der ich oft ein scharfes Rot verwendete, mit der reinen Kontur spielte, Flächen eher glättete und unbedingt vom 90 Grad-Winkel weg wollte … da gab es dann Bilder mit runden "Ecken" - (das kommt auch heute noch vor) … ab und an muss es eben dieses runde 140 cm Durchmesser-Format sein. In letzter Zeit fehlte mir manchmal bei der Leinwand der Materialwiederstand, und bei den Übermalungstechniken stellt einen die Ölfarbe vor eine ziemlich harte Geduldsprobe - daher entstehen gerade vermehrt Arbeiten in Acryl auf MDF.
Bernd Schmidt lebt und arbeitet in Stuttgart, wurde in Bad Cannstatt geboren, als Nancy Sinatra zum ersten Mal
"These boots are made for walking" sang, und entstammt der Zunft der Grafiker.